Kasernentango Wo ich denn schlafen solle, fragte ich. Er meinte, das sei kein Problem, bei ihm in der Kaserne, bevor wir morgens dann ganz früh in den Berg steigen würden. Also fuhren wir an diesem Wochenende mit dem Wagen an der Schranke vorbei aus München kommend auf den Parkplatz vor den alten Wehrmachtskasernen und taten schon beim Aussteigen, als würden wir beide auf eine der Stuben gehören, einfach nur über das Wochenende dageblieben sein. Studenten, der eine Zivildienstleistender, der andere eingezogen, kurz nach dem ersten Staatsexamen, jetzt Rekrut eben hier. Ich hatte ihm nicht erzählt, dass ich die Kaserne von früher kannte. Aus der Zeit der Flüchtlingsunterkünfte. Dass ich noch den alten Adler ohne Fussstand kannte, am Ende des Ganges, aber als wir das Haus betraten, konnte ich nur eine übermalte Wand sehen. Er wiederum hatte mir nicht erzählt, dass er eigentlich kein Zimmer für mich reservieren konnte. Dass wir uns eigentlich mit seiner Notlösung auf illegales Terrain wagten, und er mindestens auf ein Disziplinarverfahren hin zockte, sollte man unser gewahr werden. Mir war nach meinem Zivildienst jeglicher Umgang mit dem Militär untersagt, die Bundesrepublik legte offiziell keinen allzu grossen Wer mehr auf mich, würde mich nicht einmal im Verteidigungsfall mit einer Waffe ausstatten. Wozu auch, so etwas habe ich nie zu bedienen gelernt. Und anstatt nun draussen vor der Kaserne die Nacht ohne Schlaf oder mühsam im Auto zu verbringen, konnte ich über seine Idee lachen, realisierte nicht mein Vergehen und die Möglichkeit, dass das übel ausgehen konnte. Ich war Anfang 20, was sollte mir da schon passieren. Also spielte ich Soldat. Für eine Nacht. Und niemand war da, der uns dabei gestört hätte. Die Schranke passierten wir, ohne dass uns achtlose Diensttuende auch nur zugebunden hätten. Den wagen stellten wir direkt vor das Haus mit seiner Stube, es war ein anderes als das meiner Großtanten. Immerhin. Aber auch hier rannten wir die langen Gänge nachts kichernd mit Gasmasken entlang, trugen sie sogar unter der Dusche und blödelten im leeren Aufenthaltsraum herum. Wenigstens gab es hier etwas zu essen. Kaltes, aber für ein Abendessen war es genug. Ich nahm die harten Betten mit den kratzigen Decken als einen Riesenspass. Die Stockbetten, aus denen Wehrdienstleistende sich morgens mühevoll heraussollten oder nachts bei Probealarm hochschreckten. Ich fand meinen kurzen Wehrdienst eigentlich ganz annehmlich. Vielleicht würde ich ihn mir irgendwann anerkennen lassen können. Zwei halbe Tage, immerhin. Wir schliefen gut in den langgezogenen Stuben mit den grossen Fenstern. Die Waxensteine hätte man sehen können, wäre es morgens nicht so neblig gewesen. Aber was scherte uns das. Wir schlenderten ohne Frühstück zum Wagen und fuhren grusslos an der Schranke wieder vorbei ins Zivilleben zurück. Die erste Bahn auf das Kreuzeck sollte ja bald fahren. Hier draußen war die Welt so offen und friedlich. Trotz den schlechten Wetters. |