Hinter den Bergen hört die Welt auf

Als Kind stellte ich mir immer vor, dass hinter der Zugspitze die Welt senkrecht abfiel. Einem Panorama meiner Spielzeugeisenbahn gleich, sodass man, wenn man von der hinteren Seite auf die Platte mit den Gleisen den und Bergen Pappmache sah, einem Durchschnitt gleich die Berge nur als ein glatte Stellwand wahrnehmen konnte. Und bis vor kurzem dachte ich das auch, wenn ich Bilder aus Zermatt sah. Das Standardmotiv mit dem Matterhorn, das man sogar in dem auf einer Tafel schlechter Touristenschokolade wieder finden kann. Dahinter muss doch einfach ein vertikal planes Ende sein, es deutet sich nichts anderes an, dachte ich. Dahinter kann es nur tausende von Metern senkrecht hinunter gehen und vielleicht noch das Mittelmeer bis an die ehemaligen Gletscherzungen heranlassen. Aber schau, jetzt stehe ich tatsächlich auf der anderen Seite dieses Berges, südlich auf einem weiteren Gipfel, von wo aus man das Matterhorn "Cervino" nennt, sehe das steil aufragenden Massiv wie es plötzlich ein wenig zu stier und mickrig mit einer Granitschulter daherkommt, und stelle, während ich mich zu ihm umdrehe, fest: es kann also doch weiter gehen. Mit einem Mal falten sich beide Ansichten des Berges in meinem Kopf aus und ich sehe nicht das Ende der Welt. Es hängt zusammen, das Gebirge, es faltet sich und verjüngt sich auf mehreren Seiten vom Gipfel des Felsmassivs herunter. So wie das Wasser nach allen Seiten abfliessen kann. Verstehe ich denn, wenn ich sage, dass die Welt nirgends aufhört, sich alles mit allem verbindet. Habe ich begriffen, dass mir nur ein Ende entgegenkommt, wenn ich vergesse über etwas hinweg zu sehen?



So wie der Berg eine Spitze hat, aber selbst dann nicht einfach endet, weil er in den Himmel hineinragt und von ihm umfasst wird, so wie alle Flanken auslaufen und keine an eine Wand stösst, so wie selbst unter dem Berg eine Verbindung zu einem anderen Berg auf der anderen Seite existiert. Jeder Berg hat seinesgleichen auf der genau anderen Seite der Welt. Es mag sich nicht gleichen wie das zwei Geschwister tun, es mag sich Wasser darüber befinden oder ein Gletscher, der Wüstensand oder eine Stadt. Aber die beiden fassen sich durch die Welt hindurch an der Hand wie das solche tun, die müde aber glücklich zusammen auf die Berge schauen. Es gehört alles zusammen, es hat sein Gegenstück auf der Welt, die alles wieder in ein Rund bringt. Warum nur vergesse ich das ständig und glaube, es gibt kein Nachbartal?

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Hinter den Bergen hört die Welt auf von Harald Taglinger steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Schweiz Lizenz.
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